Klappe die zweite
Lettland ist das Land der Lichter

Arite Broda ist 18 und ist für ein Jahr in Lettland. Für die SZ schreibt sie auf, was sie dort erlebt.
Von Arite Broda
Löbau/Riga. Der vierte Advent fängt gut an: „Ach und Montag sind wir wahrscheinlich nur zu zweit, aber wir werden das schon überleben.“ Mit diesen Worten verabschiedete mich meine Chefin in das Wochenende des vierten Advents. Ich stöhne, das kann ja was werden, 30 Kinder von fünf bis 18 Jahren und alle wollen gleichzeitig backen, kochen, basteln und den Weihnachtsbaum schmücken. Das wird ein sehr langer Tag werden.
Mit diesen Gedanken steige ich in die Straßenbahn. Es ist schon lange dunkel draußen und ich kann mich gar nicht daran erinnern, dass ich heute überhaupt mal die Sonne gesehen habe. Die Bahn ruckelt los, und ich schaue aus dem Fenster. Ich sehe ganz viele beleuchtete Bäume und jeder sieht anders aus. Ich fahre in die Altstadt, schließlich muss ich noch die letzten Geschenke für meine Lieben in Deutschland besorgen. Und da ist er wieder, dieser Gedanke, bei dem ich jedes Mal die Luft anhalte: Diese Weihnachten bin ich nicht zu Hause, sondern in einer anderen Stadt, in einem anderen Land, weit weg von selbst gebackenen Plätzchen, Tannenduft und Krippenspiel. Aber ich wollte es so. Ich war der festen Überzeugung, dass diese Entscheidung die Richtige ist, und habe mir die ganze Zeit versucht selber einzureden, dass Weihnachten ohne die Familie auch schön sein kann.
Falsch gedacht! Jeder, der etwas anderes behauptet, hat entweder keine Familie oder ihm bedeutet Weihnachten nichts. Mir aber schon, nur den Letten eben nicht. Ganz klasse, ich sitze zu Weihnachten in einem Land, in dem die Leute noch nicht mal freihaben an diesen Tagen. Nach mehreren Fragen an verschiedene Einheimische haben mir alle versichert, dass es ein Fest für die Familie sei und die das auch so feiern. Aber Geschenke gibt es erst zu Neujahr und das größte aller Feste sei ja überhaupt Mittsommer!
Das erklärt so einiges. Die vielen deutschen Lieder, nur eben mit lettischem Text, keine Weihnachtsmänner, die seit dem 1. September in den Regalen der Supermärkte stehen und keinen Nikolaus. Natürlich bereiten sich die lettischen Christen auch auf das Weihnachtsfest vor, mit Andachten und Aufrufen zu Nächstenliebe. Aber das kommt einem alles so halbherzig vor. Irgendetwas fehlt, aber Lichter sind es auf keinen Fall.
Wenn es nach mir ginge, dann sollte man Lettland nicht als Volk der Chöre, sondern als Volk der Lichter bezeichnen. Aber nicht, dass jetzt einer denkt, dass hier mit billigen Lichterketten lustlos ein paar Bäume behangen wurden. Nein, mit tollen Ideen und sehr großem Aufwand und nicht nur ein Baum, sondern ganze Straßen! Da bleibt man gerne stehen und schaut sich das Ganze länger an. Dafür lohnt es sich, Weihnachten in Riga zu bleiben.
Auch meine Kinder im Center sind schon aufgeregt wegen Weihnachten, denn natürlich freut sich auch hier jedes Kind auf Geschenke. Ziemassvetku veciti – das heißt Weihnachtsmann auf Lettisch und ist im Grunde nur eine Übersetzung für das russische Ded Moros, also Väterchen Frost. Und an den werden, wie bei uns auch, Briefe geschrieben mit geheimen Wünschen. Es werden Gedichte und Lieder gelernt, um ihn zu beeindrucken, wenn er dann kommt.
Ein paar Kindern konnte ich sogar ein kurzes deutsches Gedicht beibringen. Sie haben sich alle köstlich amüsiert, besonders als ich dann die Worte „artig“ und „Rute“ erklären durfte. Einen Vorteil hat es aber, mein Russisch war noch nie so gut und es wird jeden Tag besser. Kinder sind hervorragende Lehrer und ein paar bringen mir sogar ein bisschen Lettisch bei.
Meine Arbeit macht mir Spaß, auch wenn sie mitunter sehr anstrengend ist. Diese Kinder sind einfach wundervoll, und ich genieße jeden Tag mit ihnen, denn es gibt nichts Schöneres als ihr Lachen und ihre stürmischen Umarmungen. Und daran muss man sich eben einfach erinnern, wenn sie das nächste Mal so tun, als ob sie einen nicht verstanden haben oder die Zunge rausstecken und wegrennen.
Auf meinen Wunschzettel habe ich jedenfalls geschrieben, dass ich es toll fände, Weihnachten Zuhause zu sein und vielleicht erfüllt mir ja einer von den drei Kandidaten meinen Wunsch? Mir ist es egal, ob es Ziemassvetku veciti, Ded Moros oder der Weihnachtsmann ist – ich wäre ihm sehr dankbar.
Wer noch mehr wissen will, von meinen Abenteuern, die ich hier erlebe oder auch etwas zu meiner Arbeit, der kann meinen Blog besuchen:
www.lettlandabenteuer.blogger.de
Arite Broda ist 18 Jahre alt und berichte für die SZ von ihrem Diakonischen Jahr in Riga. Insgesamt ist sie zehn Monate in Lettland. Davon sind inzwischen schon fast vier Monate vergangen.

Dieser Artikel erschien diese Woche in der Sächsischen Zeitung....
Und das tolle ist, mein Wunsch ist in Erfüllung gegangen und ich konnte Weihnachten mit meiner Familie feiern.
Danke lieber Weihnachtsmann !! ;)